Abschied von der Politik : „Jetzt sind andere dran“

 

Kreis Kleve (RP) Der Abschied von der politischen Bühne fällt der 63-Jährigen nicht schwer, sagt sie. Im Interview spricht der Nordsee-Fan über ihre Anfänge, den Airport und mögliche Nachfolger.

Ulrike Ulrich hört auf. Nach 25 Jahren Politik in leitenden Positionen geht die 63-Jährige in den politischen Ruhestand, freut sich auf die Nordsee, lange Spaziergänge und die Ruhe nach all den Jahren, die sie im politischen Scheinwerferlicht stand.

Frau Ulrich – wo sind Sie denn noch politisch aktiv, wenn Sie im November den Kreistag endgültig verlassen haben?

ULRICH Ich gehe ganz.

Ganz – machen Sie nichts mehr?

ULRICH Ja ganz – ich werde mich aus der Politik komplett zurückziehen. Und zwar an einem Punkt, wo mich nicht andere schubsen, sondern wo ich alleine sagen kann: ich gehe. Und zwar ganz. Für mich war es immer wichtig, den Zeitpunkt des Rückzugs selbst zu bestimmen.

Kein Blick zurück?

ULRICH Doch, ich schaue gerne zurück, habe immer mit Herz und Leidenschaft Kreispolitik gemacht. Ich kann mich noch gut erinnern, das war 1995, als an einem Freitagnachmittag das Telefon klingelte und Ronald Pofalla dran war. Wir kannten uns gut aus der Jungen Union und Pofalla meinte, ich sollte jetzt mal wieder einsteigen. Er wollte für die Kreispartei ein neues Team zusammenstellen und ich sollte dabei sein. Neben Theo Brauer und Hans Geurts. Ich dachte noch ,Uups‘ was passiert denn da?

Hatten Sie Bedenkzeit?

ULRICH Ja,drei Stunden, ganz im Sinne Pofallas, der seit 1991 Kreisvorsitzender war. Dann wurde ich im März 1995 stellvertretende Kreisvorsitzende. Und bis heute bin ich durch und durch Kreispolitikerin geblieben: 1996 in den Kreistag nachgerückt, 1999 kandidiert und seit 2004 bin ich Fraktionsvorsitzende der Kreistagsfraktion. Insgesamt 25 Jahre in hohen politischen Funktionen in der Region.

Und jetzt?

ULRICH Jetzt sind andere dran und ich wünsche mir, dass auch in Zukunft die richtigen Weichen für unseren schönen Kreis gestellt werden.

Fällt es schwer, der politischen Bühne den Rücken zu kehren?

ULRICH Überhaupt nicht. Schon vor zwei Jahren habe ich Günther Bergmann informiert, dass ich nicht mehr antrete. Zeit genug, eine Lösung für meine Nachfolge zu finden. Wer mein Nachfolger oder meine Nachfolgerin wird, wird die neue Fraktion entscheiden.

Eine Frau stünde der CDU im Kreis gut zu Gesicht. Wo waren ihre politischen Schwerpunkte?

ULRICH Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel in die Bildung gesteckt, allein für die Modernisierung des Berufskollegs Kleve stehen über 27 Millionen Euro im aktuellen Haushalt. Wir haben als Kreis die Trägerschaft für die Förderschulen übernommen und 2020 vier Förderzentren geschaffen, um Eltern die optimale Betreuung wohnortnah bieten und die Qualitätsstandards halten zu können, dafür haben wir nochmals sechs Millionen in die Förderung gegeben. In den beiden Berufskollegs wurden die Bildungsgänge angepasst, das berufliche Gymnasium gestärkt.

Sie haben auch zwei Großobjekte mitgestalten können: Die Hochschule – und bei vielen umstritten – der Airport Weeze.

ULRICH Als 1999 die Briten abzogen, mussten wir eine Lösung finden, wir dachten an ein euregionales Zentrum. 2003 begann dann der zivile Luftverkehr, 2007 kam die Ryanair- Basis.

Was bedeutet der Flughafen für die Region?

ULRICH Er ist ein Job-Motor.

Hatten Sie keine Bauchschmerzen, als der Kreis immer wieder Millionen Euro nachschießen musste?

ULRICH Nein, allein wenn ich an die Arbeitsplätze denke, schon nicht, an die Beschäftigungsmöglichkeiten, die sich bieten.

Wie viele sind das?

ULRICH Nach aktuellen Zahlen der zuständigen Agentur für Arbeit ungefähr 1000. Direkt angestellt am Flughafen sind 82. Hinzu kommen Flugbegleiter, Piloten, der Sicherheitsdienst, die Reinigung, die Mitarbeiter der Tankanlagen, das sind dann nochmal rund 800. Und dann kommen noch 135 für die Geschäfte und Reisebüros hinzu, so dass im Juni die Zahl bei 1000 lag. Schaut man dann noch beispielsweise auf Parookaville mit 30 Mitarbeitern und 6000 Aushilfen, sieht man die Kreise, die das zieht.

Und die Zukunft?

ULRICH Man darf die Bedeutung des Flughafens nicht verkennen. Man muss darauf achten, dass die ländlichen Gebiete nicht abgehängt werden. Seit Jahren hoffen wir darauf, dass es Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Düsseldorf gibt.

Dazu braucht die Region aber eine bessere Anbindung.

ULRICH Wir haben die A 3 und A 57, wir haben den Hafen in Emmerich, der an Bedeutung gewinnt. Aber es ist richtig: Wir müssen uns um die Themen kümmern und uns für die Region einsetzen. Gerade auch um die Bahnlinien, wo es erheblichen Verbesserungsbedarf gibt, rechts- wie linksrheinisch. Aktuelles Beispiel: ICE-Halt in Emmerich, den wir schon lange fordern.

Der Flughafen ist sehr von Ryanair abhängig und die Methoden des Billigfliegers sind nicht unumstritten.

ULRICH Zu O’Learys Methoden sage ich nichts. Wir haben es im Moment mit massiven Strukturbrüchen in der Luftfahrt zu tun, man muss sehen, wie sich das entwickelt. Dass wir den Airport breiter aufstellen müssen, ist immer unser Anliegen gewesen. Und dass wir den Flughafen unterstützen, unterstreicht unsere Kernbotschaft: Der Airport ist ein wichtiges Infrastrukturprojekt im Kreis Kleve, dessen Existenzsicherung für uns von zentraler Bedeutung ist. Wir haben die Hoffnung, dass weitere Linien Weeze nutzen werden.

Was war der Höhepunkt in den 25 Jahren Kreispolitik?

ULRICH Die Hochschule war das Highlight. Wir haben aus der Nicht-Chance den Zuschlag bekommen. Und es sollte ganz klar sein, dass die Arbeit von Landrat Spreen und dem Kreistag immer eng mit der Hochschule verbunden sein wird. Ohne Solidarität der 16 Kommunen hätten wir das nicht geschafft.

Und jetzt kam Corona?

ULRICH Corona ist eine emotional sehr belastende Zeit. Wir wussten nicht, was die Pandemie mit uns macht, sie hat uns überrollt und es gab keinerlei Erfahrungswerte. Allerdings habe ich bei Corona und vor allem den Corona-Hilfen die Solidarität der Kommunen vermisst, die 10 Millionen Euro Förderung für notleidende Unternehmen zu befürworten. Alle Fraktionsvorsitzenden im Kreistag waren dafür und haben den Landrat unterstützt.

Warum ist Ihnen die Förderung so wichtig?

ULRICH Wir wollten ein Zeichen setzen, wir wollten schnell und unbürokratisch helfen, wir wollten zeigen, dass wir beispielsweise Solo-Selbstständigen zur Seite stehen: Wenn Not ist, ist der Kreis da, sind die Kommunen da. Mit Rücksicht auf die finanzielle Situation der Kommunen haben wir die Hilfe aus der Ausgleichsrücklage finanziert.

Gibt’s eine Empfehlung für die Nachfolger?

ULRICH Es gibt keine Empfehlung. Wir können ein gut bestelltes Haus übergeben. Das ist wichtig.

Und was ist jetzt ,ich mache ja nicht nichts’?

ULRICH Neben meiner beruflichen Tätigkeit hatte ich mit der Kreispolitik einen zweiten Fulltime-Job. Jetzt freue ich mich auf mehr freie Zeit und die Möglichkeiten, ohne Terminzwang ganz spontan Dinge machen zu können. Reisen gehört mit Sicherheit dazu, besonders ans Meer.

Danke für das Gespräch.

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