CDU Emmerich will alle Fragen zu Greensill beantwortet haben

EMMERICH (NRZ). Die CDU-Fraktion sieht ihre Fragen zum drohenden Millionenverlust bei der Greensill-Bank nicht ausreichend beantwortet. Und stellt sie erneut.

Die CDU-Fraktion ist mit der Beantwortung ihrer Fragen zum drohenden Millionenverlust der Stadt Emmerich bei den Greensill-Anlagen auf der Ratssondersitzung am 23. März nicht zufrieden. Deshalb werden Bürgermeister Peter Hinze nochmal alle 13 Fragen-Komplexe vorgelegt mit der Bitte, diese zu beantworten. Der CDU schwebt vor, Hinze die Antworten zur ersten Sitzung des Begleitausschusses, der sich mit der Aufarbeiten des Falles beschäftigt, vorzulegen.

Dr. Matthias Reintjes, CDU-Fraktionschef, verweist auf das nun veröffentlichte Protokoll der Ratssondersitzung. Dies belege, dass viele der Fragen noch „oberflächlich oder gar nicht“ beantwortet wurden. Des Weiteren habe die CDU-Fraktion mit großer Verwunderung die Aussagen des Stadtsprechers zu der Prüfung der Stadt Münster zur Kenntnis genommen. Dass dieser der Stadt Münster „oberlehrerhaften Charakter“ attestierte, wie die CDU schrieb, ist aber nicht richtig. Die Einschätzung in dem Bericht stammt von der NRZ.

„Wie Sie dem Fragenkatalog entnehmen können, war die erste Frage der CDU-Fraktion, ebenjene die nach der bereits im Sommer 2019 von der Stadt Münster beauftragten Einschätzung zur Greensillbank. Diese Einschätzung der Schweizer Agentur Independent Credit View (I-CV) war öffentlich zugänglich. Darüber hinaus hat es nachweislich vor der zweiten Auszahlung von fünf Millionen Euro an die Greensillbank Anfang des Jahres 2021 durch die Stadt Emmerich ein Downgrading der Bank gegeben. Auch dies hätte man in die Risikoabschätzung einfließen lassen müssen“, erläutert Reintjes.

Im Folgenden nun alle Fragen, die die CDU-Fraktion erneut schriftlich an Bürgermeister Peter Hinze stellt:

>> Frage 1 zur Prüfung der Greensill Bank

In den letzten Jahren haben mehrere Kommunen die Anlagen bei der Greensillbank extern prüfen lassen und zumeist von einer Anlage abgesehen. Eine große deutsche Kommune hat dazu bereits 2019 die renommierte Independent Credit View AG mit einer Prüfung beauftragt. Folgende Feststellungen 2019 wurden getroffen:

  • Rating BB-, also Ramschniveau.
  • Intransparentes Geschäftsmodell, eine Black Box
  • Es gab keine Anhaltspunkte, nach welchen Risiko-Ertragskriterien die Greensill Gruppe agiert
  • Es besteht ein mutmaßlich „höheres Risikoprofil“ als bei anderen Banken

Sie sprachen im NRZ-Interview wörtlich davon, dass Ihnen die die Greensill Bank keine unbekannte Bank sei und dass Sie über den Finanzvermittler und eigene Recherchen gesicherte Informationen über den Zustand der Bank erhalten haben. Wie erklären Sie sich, dass andere Bürgermeister und Kommunen offensichtlich im Rahmen einer Prüfung zu entgegengesetzten Feststellungen gekommen sind?

>> Frage 2 zu Berichten über Greensill

Sie sprachen im NRZ-Interview wörtlich davon, dass Ihnen die die Greensill Bank keine unbekannte Bank sei und dass Sie über den Finanzvermittler und eigene Recherchen gesicherte Informationen über den Zustand der Bank erhalten haben. Wörtlich sagten Sie „Wir haben uns natürlich auch das Rating, die Bilanz und das Geschäftsmodell des Unternehmens angeschaut, bevor wir Geld angelegt haben“.

Bereits im August 2020 häuften sich Medienberichte, unter anderem von der Nachrichtenagentur Bloomberg, in denen Bedenken am Geschäftsmodell der Greensill Bank geäußert wurden. Das Bremer Regionalmagazin Buten und binnen verwies im November darauf, dass die Bafin und der Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken die Greensill Bank beobachten. Finanzjournalist Christian Kirchner schreibt: „Die Verantwortlichen in den Kommunen hätten einfach mal googlen müssen – dann hätten sie die alarmierenden Berichte über die Greensill-Bank sofort gefunden.“

Wie Sie selbst behaupten, wurde ja recherchiert. Waren Ihnen die benannten Berichte, insbesondere zu dem dubiosen Geschäftsmodell der Greensillbank aus 2020, bekannt? Wenn ja, wieso haben Sie dennoch noch im Februar 2021 die Anlage von weiteren fünf Millionen Euro Steuergeldern gebilligt? Sind die Details der Recherche einsehbar und dokumentiert?

>> Frage 3 zu den Ratingagenturen

Wie Sie in der NRZ und dem WDR sagten, haben Sie sich mit dem Rating der Bank beschäftigt. Hat es intern keine Fragen aufgeworfen, dass die Greensill Bank nicht von den großen drei Ratingagenturen (S&P, Moody‘s oder Fitch) gerated wurde, sondern lediglich von dem „kleinen“ Anbieter Scope, von dem bekannt ist, dass dieser personell mit der Greensillbank verwoben ist?

>> Frage 4 zum Rating der Greensill Bank

Sie haben mehrfach öffentlich von einem „Toprating“ der Greensill gesprochen und sich wiederholt darauf berufen. Die Ratingagentur Scope hat die Greensillbank aber lediglich bis September 2020 mit A- gerated. Also einem Rating, welches kein Toprating, sondern ein gerade eben noch gutem Rating entspricht. Halten Sie vor dem Hintergrund an Ihrer Aussage fest? Wie erklären Sie sich Ihre Fehleinschätzung?

>> Frage 5 zur Abwertung durch Scope

Die Ratingagentur Scope hat das Rating der Greensillbank im September 2020 von A- auf BBB abgesenkt und eine deutlich negative Prognose für das Folgejahr 2021 gegeben. War Ihnen dieses Downgrading bekannt? Wenn ja, warum haben Sie trotz des Downgradings und der Negativprognose noch im Februar diesen Jahres die Anlage von weiteren fünf Millionen Euro gebilligt. Hatten Sie hier trotz der deutlichen Abwertung keinerlei Bedenken?

>> Frage 6 zum Megawachstum bei Greensill

Wie Sie sagen, haben Sie die Bilanz der Bank geprüft. Ihnen wird bei der eigenen Recherche sicher aufgefallen sein, dass die Bank ihre Bilanzsumme binnen zwei Jahren mehr als verelffacht hat? Finanzexperten sprechen hier von einem einmaligen Vorgang. Welche Schlüsse haben Sie im Rahmen der Prüfung aus diesem offenkundig fragwürdigen Megawachstum der Greensillbank gezogen? Sind die Details ihrer Bilanzprüfung einsehbar und dokumentiert?

>> Frage 7 zu Risiken bei Anlagen

Der Runderlass des Innenministeriums „Kommunales Haushaltsrecht; Anlage von Kapital durch Gemeinden und Gemeindeverbände (Kommunale Kapitalanlagen)“ aus dem Jahr 2012 besagt: „Demnach hat die Anlage von Kapital mit der gebotenen Sachkenntnis und Sorgfalt zu erfolgen. Bei den Kapitalanlagen müssen die möglichen Risiken bekannt, begrenzt und beherrschbar sein. Dieser Maßstab ist auch bei der Einlage von Kapital in private Kreditinstitute, bei denen es nicht durch ein Einlagensicherungssystem geschützt ist oder in Kreditinstitute ohne ein institutsbezogenes Sicherungssystem, anzulegen. Eine diversifizierte Anlagestrategie kann mögliche Risiken begrenzen. Die örtlichen Anlageentscheidungen sind ausreichend zu dokumentieren.“

Sie können auch Dritte mit der Anlage von Kapital sowie mit der Bewertung der Chancen und Risiken von Anlageformen beauftragen. Diese Beauftragung entbindet jedoch die Gemeinden und Gemeindeverbände nicht von der Gesamtverantwortung für die Anlage ihres Kapitals. Aus Gründen der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Ablaufprozesses bei der Anlage von Kapital wird der Erlass einer örtlichen Anlagerichtlinie empfohlen. In der können unter Berücksichtigung der örtlichen Bedürfnisse u.a. auch Verantwortlichkeiten und Entscheidungsbefugnisse festgelegt werden.

Der Erlass wurde 2017 explizit um den Passus „Dieser Maßstab ist auch bei der Einlage von Kapital in private Kreditinstitute, bei denen es nicht durch ein Einlagensicherungssystem geschützt ist oder in Kreditinstitute ohne ein institutsbezogenes Sicherungssystem, anzulegen. Eine diversifizierte Anlagestrategie kann mögliche Risiken begrenzen“ erweitert. Das zuständige Ministerium (MHKBG) sowie die Ministerin haben am 19. März 2021 auf Anfrage im Landtag NRW klargestellt, dass der Erlass Gültigkeit für alle denkbaren Anlageformen hat.

Ist Ihnen der Erlass und die Anpassung aus 2017 bekannt? Sehen Sie vor dem Hintergrund des Erlasses die geforderte Prüfungs- und Sorgfaltspflicht als erfüllt an? Gibt es im Rahmen des Investitionscontrollings eine Risikobewertung? Wieso haben Sie den Erlass nicht zum Anlass genommen, eine Anlagenrichtlinie, so wie dieser es empfiehlt, für die Stadt Emmerich am Rhein zu erlassen?

Der Erlass empfiehlt dezidiert eine diversifizierte Anlagestrategie. Denken Sie, die Anlage von sechs Millionen Euro Steuergeldern und damit gut einem Drittel der liquiden Mittel der Stadt Emmerich bei einer Bank, welche bekannter Maßen über keine Anlagenabsicherung verfügt, ist diversifiziert und risikogerecht?

>> Frage 8 zur Anzahl der Kommunen, die bei Greensill angelegt haben

Von Ihnen wird öffentlich oftmals auf die anderen betroffenen Kommunen verwiesen. Getreu dem Motto „Geteiltes Leid ist halbes Leid“. In Deutschland gibt es 10.799 Städte und Gemeinden. Stand heute haben lediglich 30 von 10.799 Kommunen in Deutschland Geld bei Greensill angelegt und verloren. Im Klartext – es haben nur 0,28 % der deutschen Kommunen Geld bei Greensill angelegt. Es mehren sich die Berichte, dass viele Kommunen nach eine Prüfung – und auch Beratung örtlicher Banken – von einer Anlage bei Greensill abgesehen haben. In Nordrhein-Westfalen sind lediglich vier Kommunen betroffen. Vier von 423 Kommunen in NRW – auch das sind nicht mal ein Prozent der Kommunen im Land Nordrhein-Westfalen.

Haben Sie eine Erklärung, dass ausgerechnet Emmerich am Rhein zu den 0,28 Prozent der bundesweit betroffenen Kommunen zählt? Ist dies nicht ein Anhaltspunkt eine mangelhafte oder fehlende Prüfung des Sachverhaltes vor Ort zu vermuten?

>> Frage 9 zum Pro-Kopf-Verlust

Setzt man dabei den Verlust an Steuergeldern in das Verhältnis der Kommunengröße und der Einwohnerzahl und klammert die Stadt Monheim als absoluten Sonderfall aus, dann ergibt sich für die betroffenen Kommunen in NRW folgendes Bild:

  • die Stadt Köln (15 Millionen Euro), pro Kopf Verlust von 15 Euro
  • die Stadt Marsberg (2,5 Millionen Euro), pro Kopf Verlust von 95 Euro
  • Stadt Emmerich (6 Millionen Euro), pro Kopf Verlust von 200 Euro

Die Stadt Emmerich am Rhein ist damit die am schlimmsten betroffenen Kommune in NRW. Alle Emmericherinnen und Emmericher, egal ob jung oder alt, haben einen Verlust von 200 Euro erlitten. Sind Ihrer Ansicht nach die liquiden Mittel der Stadt zur Vermeidung von Klumpenrisiken ausreichend gestreut angelegt worden?

>> Frage 10 zur allgemeinen Skepsis der Kämmerer

Seit dem 1. Oktober 2017 sind kommunale Guthaben nicht mehr durch den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) geschützt. Das ist allgemein bekannt. Wie eine Umfrage des Fachmagazins „Der Neue Kämmerer“ an bundesweit alle Kämmerer zeigt, gaben bereits 2018 81 Prozent der Kämmerer an, ihre Anlagestrategie zu ändern. Der genannte Grund der Kämmerer im Fachmagazin waren das fehlende Wissen und Know-How, das Ausfallrisiko einer Bank seriös zu beurteilen. Es gilt die Devise „Sicherheit vor Ertrag“.

Wieso haben Sie nicht nach dem Grundsatz „Sicherheit vor Ertrag“ gehandelt und das Geld bei einer der örtlichen Genossenschaftsbanken oder Sparkassen angelegt? Wieso dachten Sie, dass es Ihnen möglich ist, das Ausfallrisiko seriös zu beurteilen, wo doch 81 Prozent der befragten Kämmerer in ganz Deutschland sich offensichtlich nicht dazu im Stande sahen? Ist ihre Risikobeurteilung einsehbar und dokumentiert?

>> Frage 11 zur Verantwortlichkeit

Sie machen öffentlich für den drohenden Verlust der sechs Millionen Euro das „Versagen der Bankenaufsicht“ verantwortlich. In den letzten Tagen haben sich zahlreiche Finanzexperten, das Land NRW, sowie die Bafin ebenso zum Thema geäußert und sehen die Verantwortung im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung und vor dem Hintergrund der geltenden Erlasslage in NRW auch bei den Stadtkämmerern und Bürgermeistern der betroffenen Kommunen. Sind Sie nach wie vor der Auffassung, dass die Stadt Emmerich im vorliegenden Fall keinerlei Verantwortung trifft?

>> Frage 12 zur Neutralität

Halten Sie es vor dem Hintergrund, dass Sie und die Kämmerin ggf. befangen sind für opportun, dass Sie die weiteren Gespräche mit den betroffenen Kommunen ohne Hinzuziehung weiterer Personen führen und in der Sache weiter aktiv sind?

>> Frage 13 zu Dienstanweisungen

Lt. § 13, Abs. 3 der Dienstanweisung Finanzbuchhaltung und Zahlungsabwicklung „unterhält die Stadt Konten bei der Stadtsparkasse. Über weitere Konten entscheidet der Kassenaufsichtsbeamte. Verfügungsberechtigt sind der Verantwortliche und der Stellvertreter“. Hier ist aber nicht die Rede von Konten bei anderen Banken. „Die Handhabung von Konten, die außerhalb der Stadtkasse geführt werden, wird in einer gesonderten Dienstanweisung geregelt.“ Was steht in dieser Dienstanweisung? Würde die ebenso dem Rat zur Kenntnis gegeben? Bis zu welchen Beträgen dürfen Zahlungen auf andere Konten vorgenommen werden? (steht nicht in der Dienstanweisung)

Laut § 15 Kassenbestände sind – soweit möglich und wirtschaftlich – sicher und ertragbringend anzulegen. Hierbei müssen gem. Erlass 2012 die möglichen Risiken „bekannt, begrenzt und beherrschbar“ sein. Gemäß Erlass von 2017 nicht nur bei Anlagen, sondern auch bei Einlage von Kapital in private Kreditinstitute ohne Einlagensicherungssystem. Wörtlich: „Eine diversifizierte Anlagestrategie kann mögliche Risiken begrenzen.“ Was gibt es bei uns für eine Anlagestrategie?

Für den Fall, dass es keine Regelung gab: Wieso gibt es beispielsweise für Pachtverträge, wenn die Jahrespacht 2500 Euro überschreitet oder für Auszahlungen über 1000 Euro Regeln, für die Anlage von sechs Millionen Euro jedoch nicht?